In der Praxis besteht bei einer GmbH mit mehreren Gesellschaftern vielfach das Bedürfnis, Gewinnausschüttungen abweichend von den Beteiligungsverhältnissen vorzunehmen.
Enthält der Gesellschaftsvertrag keine Regelung über eine Gewinnverteilung und auch keine sog. Öffnungsklausel (§ 29 Abs. 3 Satz 2 GmbHG), wonach alljährlich ein Mehrheitsbeschluss die Gewinnverteilung regeln soll, sind Gewinne regelmäßig nach dem Verhältnis der Geschäftsanteile zu verteilen. Hiervon abweichende „satzungsdurchbrechende“ Gesellschafterbeschlüsse mit Dauerwirkung (ohne formwirksame Satzungsänderung) sind nichtig. Lediglich „punktuelle“ Beschlüsse, deren Wirkung sich in einem Einzelakt erschöpfen, sind davon zu unterscheiden. Diese sind nicht nichtig, sondern nur anfechtbar, aber bei einem einstimmigen Beschluss aller Gesellschafer (mit Verzicht auf eine Anfechtungsberechtigung) zivilrechtlich wirksam und bindend.
Die Finanzverwaltung anerkennt sog. inkongruente (ungleiche) Gewinnverteilungen bislang nur an, wenn diese entweder in einer Satzung geregelt oder in Ausführung einer Öffnungsklausel zivilrechtlich wirksam vorgenommen werden. Ungeklärt war die steuerliche Anerkennung inkongruenter Gewinnausschüttungsbeschlüssen ohne Satzungsregelung und ohne Öffnungsklausel.
Der Bundesfinanzhof differenziert nun in seinem Urteil vom 28.09.2022 und unterscheidet zwischen Beschlüssen mit Dauerwirkung und punktuellen Beschlüssen mit Satzungsdurchbrechung:
Zu Letzterem Punkt gehören auch die sog. Vorabgewinnausschüttungsbeschlüsse. Daher ist es künftig möglich, dass mittels eines Vorabgewinnausschüttungsbeschlusses der Gewinn einer GmbH an Gesellschafter -abweichend vom Beteiligungsverhältnis- verteilt werden kann.
Bereits mit Urteil vom 28.09.2021 hatte der Bundesfinanzhof eine gespaltene und zeitlich inkongruente Gewinnverteilung grundsätzlich anerkannt. In diesem Urteilsfall hatte eine GmbH mit entsprechender Öffnungsklausel einen Gewinnverwendungsbeschluss gefasst und einem Gesellschafter den Gewinnanteil ausbezahlt und einem anderen Gesellschafter den Gewinnanteil in ein gesellschafterbezogenes Gewinnrücklagekonto eingestellt, dessen spätere Ausschüttung wiederum von einem Beschluss abhing. Der BFH kam zu den Schluss, dass der in ein Gewinnrücklagekonto eingestellte Gewinnanteil (auch eines beherrschenden Gesellschafters, weil er noch nicht darüber verfügen kann) erst mit dessen Ausschüttung zu versteuern ist.
Um Auseinandersetzungen mit der Finanzverwaltung zu vermeiden, ist in der Praxis dennoch zumindest die Aufnahme einer entsprechenden Öffnungsklausel in der Satzung ebenso wie eine Dokumentation der wirtschaftlichen (außersteuerlichen) Motive zu empfehlen.